Noch gibt es kein radikales Wahlverhalten

 

Nichtwähler gefährden die Demokratie

 

Die Zahl der Nichtwähler steigt. Laut einer Studie verweigern sich die meisten, weil sie sich nicht mehr in der Politik wiederfinden. Die Forscher halten dies für eine gefährliche Entwicklung, die ein hohes Potenzial der Radikalisierung in sich trage. Nichtwähler stammen meist aus den unterprivilegierten Schichten der Gesellschaft.

Nichtwähler stammen meist aus den unteren Schichten, sehen sich selbst als "Wähler im Wartestand", sind durchaus politisch interessiert, wünschen sich eine "kümmernde Politik" und gelten nicht als verloren. Das ist das Fazit einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Sie widmet sich der großen Zahl der Nichtwähler, die in den letzten drei Jahrzehnten stetig gestiegen ist. Betroffen sind sowohl Kommunal-, Landtags, Bundestag- und Europawahlen. Die Forscher beklagen, dass sich Parteien und Öffentlichkeit zu wenig um den hohen Anteil der Nichtwähler scheren.

Vor allem die beiden großen Parteien SPD und CDU/CSU verzeichnen einen kontinuierlichen Vertrauensschwund. Noch 1983 gaben in den alten Bundesländern mehr als drei Viertel aller Wahlberechtigten den beiden Parteien ihre Stimme. Bei der Bundestagswahl 2009 waren es nur noch knapp über 40 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Nichtwähler von fast 12 auf fast 29 Prozent. "Diese Entwicklung beunruhigt, gilt doch die Wahlbeteiligung als Gradmesser für die Stabilität der Demokratie", heißt es in der FES-Studie.

Der alarmierende Anstieg der Nichtwählerschaft bedeutet im Umkehrschluss, dass die Regierungen von einem immer kleineren Teil der Bevölkerung getragen werden. Diese Entwicklung ist Trend auch in der EU. Aber abgesehen von Portugal ist laut der Studie in den letzten drei Jahrzehnten nirgendwo der Rückgang der Wahlbeteiligung so groß wie in Deutschland. Die Menschen sähen Wahlen längst nicht mehr als Bürgerpflicht und Errungenschaft der Demokratie. Dass dies nicht unbedingt ein Naturgesetz sein müsse, zeige der Blick nach Dänemark und Schweden.

Nichtwähler sind unzufrieden

 

Für die Untersuchung wurden 3501 Wahlberechtigte befragt, die sich selbst als "Nichtwähler" deklariert hatten. Danach sind 77 Prozent der Nichtwähler der Ansicht, Wahlen seien ein hohes Gut. Nur 32 Prozent meinen, durch die Stimmabgabe könne man am Lauf der Dinge nichts ändern. Als Gründe, sich an der Wahl nicht zu beteiligen, werden vor allem die Unzufriedenheit mit politischen Akteuren und Inhalten genannt. Die Befragten wünschen sich vor allem eine "kümmernde" Politik. Damit verbunden ist die Forderung, die Parteien sollten unnötigen Streit vermeiden und sich gemeinsam der Lösung wichtiger Probleme widmen.

Ein ewiger "Teufelskreislauf"

 

Die aktuelle Studie bestätigt auch Hinweise und Vermutungen, dass eher die unterprivilegierten Wählerschichten zur Enthaltung tendieren. Bedenkt man zudem, dass Bürger mit hoher Bildung, gesichertem Einkommen und beruflichen Netzwerken die ohnehin besseren Möglichkeiten zur eigenen Interessenswahrnehmung haben, verschärft die sozial unterschiedliche Wahlbeteiligung die Schieflage in der politischen Repräsentanz weiter. Dies führt laut der Studie zwangsweise zu mehr sozialer Ungerechtigkeit.

In der Folge fühlen sich die unterprivilegierten Bevölkerungsschichten benachteiligt. Noch habe die daraus resultierende Entfremdung und Ohnmacht hierzulande nicht zu einem radikalen Wahlverhalten geführt - wohl aber zu immer größerer Wählerabstinenz.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung spricht von einem "Teufelskreis", den es zu durchbrechen gilt. Andererseits sei die Demokratie in Deutschland gefährdet. Empfehlungen, wie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, sich nicht um die wachsende Zahl von Nichtwählern zu kümmern, da sich dies nicht vom Arbeit-Nutzen-Aufwand her rechne, hält die Friedrich-Ebert-Stiftung für "abwegig". Um die Stabilität des politischen Systems wieder zu stärken, müsse die Unzufriedenheit der Nichtwähler reduziert und nicht ignoriert werden.

Quelle: n-tv.de , ppo